Wie bauen wir in Zukunft?

Dass sich angesichts des spürbaren und unwiderlegbaren Klimawandels etwas an unserer Lebensweise ändern muss, ist mittlerweile in vielen Teilen unserer Gesellschaft in Deutschland Konsens. Allgemein anerkanntes Ziel ist es, die Freisetzung klimaschädlicher Gase und auch den mit ursächlichen Flächenverbrauch soweit als möglich zu reduzieren. Die Diskussionen hierzu haben zwischenzeitlich beinahe all unsere Lebensbereiche erreicht. Von neuen Antriebskonzepten im Individualverkehr, der Lebensmittelproduktion, von der Gebäudedämmung bis hin zu industriellen Produktionsprozessen steht nahezu alles auf dem Prüfstand. Auch unsere Art zu wohnen. 

Über Jahrzehnte des wachsenden Wohlstandes hinweg hat der statistische Pro-Kopf-Verbrauch des einzelnen an Wohnraum stark zugenommen. Standen 1987 in Bayern dem einzelnen durchschnittlich ca. 40m² Wohnfläche zur Verfügung, so waren es 2016 bereits fast 50m². Damit einher ging auch die Zunahme an Verkehrsflächen mit all ihren Konsequenzen. Dabei stieg unser Wohnflächenbedarf deutlich schneller als der Bevölkerungszuwachs im gleichen Zeitraum.

Die Problematik ist der Politik bereits seit langem bekannt. Bereits 2003 wurde vom bayerischen Umweltministerium gemeinsam mit kommunalen Spitzen- und Umweltverbänden das „Bündnis Flächensparen“ ins Leben gerufen. Trotz wiederkehrender Appelle für einen sorgsameren Umgang mit unseren Böden bewegt sich der Flächenverbrauch aber weiterhin auf hohem Niveau. Der aktuelle Flächenverbrauch in Bayern beträgt 11,7 Hektar (ha) pro Tag (Stand 2017). Das entspricht etwa 17 Fußballfeldern (70m x 100m). Pro Jahr werden rund 43 Quadratkilometer (km²) Freifläche in Siedlungs- und Verkehrsfläche umgewandelt. Rechnen Sie das mal auf 10 oder 100 Jahre hoch! 

Auf einer Bürgerversammlung in Rasch hat ein Landwirt treffend formuliert, dass man in 80 Jahren rechnerisch von Hof nach Berchtesgaden über Pflaster laufen könne. Natürlich ist auch der Bedarf an Gewerbe- und Verkehrsflächen nicht außer Acht zu lassen. Aber auch der Wohnungsbau samt seiner Einsparpotentiale. Dabei kommt den Kommunen mit ihrer Planungshoheit eine besondere Verantwortung zu. Sie sind es, die über Nachverdichtung mitentscheiden, die Baugebiete ausweisen und mit den planerischen Festsetzungen bei künftigen Bebauungsplänen die Vorgaben für die Zukunft festlegen. 

Wenn wir es also ernst meinen mit Klimaschutz und Flächensparen, so muss sich das in kompakteren Siedlungsformen und einer angemessenen Nachverdichtung widerspiegeln. Ersteres ließe sich beispielsweise bei dem in Planung befindlichen Baugebiet „Altdorf Nord“ realisieren. Kleinere Wohneinheiten entsprächen nicht nur den ökologischen Anforderungen – sie wären auch bezahlbarer und (besonders im Alter) leichter zu unterhalten. Wenn man der Prognose des Bayerischen Landesamtes für Statistik und Datenverarbeitung Glauben schenkt, so wächst die Altersklasse der über 65jährigen in Altdorf bis 2035 um über 30%! Auf solche Tendenzen sollte eine Kommune rechtzeitig mit geeigneten Lösungen reagieren. 

Aber es gibt noch mehr Möglichkeiten, Ressourcen einzusparen. Richte ich ein Gebäude auf einem Grundstück falsch aus, kann das zu einer Erhöhung im Energieverbrauch oder Verschlechterung bei der Energiegewinnung führen. Darüber hinaus gibt es heute schon technische Optimierungen bei Beleuchtung und Akustik. Und natürlich steht das Produzieren von eigener Energie – die Windkraftanlage auf dem Dach oder der Einsatz von Photovoltaik oder geothermische Anlagen – im Fokus. Das Thema Recycling von Materialien wird ebenso eine immer größere Bedeutung bekommen. 

Holz als Baustoff wird immer wichtiger, es kann etwa den Anteil von Beton mit dessen schlechteren Ökobilanz reduzieren. Zum Glück ändert sich das Bewusstsein bei diesem Rohstoff gerade. Man war bei Holz wegen des Brandschutzes lange skeptisch. Aber die heutigen Holzwerkstoffe sind feuerresistenter als ein Stahlbalken, der nicht brandgeschützt ist. Das Holz glüht nur außen, das Innere ist ziemlich lange geschützt. Stahl kann dagegen plötzlich wegknicken. Heutzutage werden auch Hochhäuser in Holzbauweise errichtet. Das Material hält hohen Belastungen stand und kann sich inzwischen mit Beton und Stahl messen. 

In Dänemark werden alte Ziegelsteine von abgerissenen Gebäuden für neue Fassaden verwendet. Das kostet natürlich auch Geld und Energie. Aber so wird verhindert, dass es einen Brennprozess gibt, der noch mehr Energie verbraucht und CO2 freisetzt. Mit unseren deutschen Energiesparverordnungen gibt es nun schon sinnvolle Vorgaben, die Wirkung zeigen. Aber angesichts der angespannten Lage auf dem städtischen Wohnungsmarkt braucht man auch bezahlbaren Wohnraum. Und Wohnungen werden durch nachhaltiges Bauen eher nicht billiger. 

Wir müssen vielleicht wieder einfacher bauen. In München gab es ein Pilotprojekt, dass vorsah Elektroleitungen nicht in der Wand, sondern auf Putz zu verlegen – so wie früher. Aber es gibt DIN-Normen, die sagen: Die Leitungen müssen in die Wand, auch wenn es teurer ist. Diese Überregulierung (in vielen Bereichen) führt sicherlich nicht zu mehr bezahlbarem Wohnraum. Es braucht eben neue und zukunftsträchtige Herangehensweisen. 

Wir alle sind gefordert, über unser Verhalten nachzudenken. Stadtrat und Bürgermeister sollten hier vorangehen. Dafür sollte man auch einmal über den Tellerrand hinausgucken. Zu Recht haben Schülerinnen und Schüler damit begonnen, freitags dafür zu demonstrieren, dass wir ihre Zukunft nicht „verbauen“. Zumindest ihnen scheint klar, dass sich angesichts des Klimawandels etwas an unserer Lebensweise ändern muss. Noch immer denken viele Menschen anscheinend, dass man mit der Natur irgendwie verhandeln könne. Dem ist nicht so. Wir müssen etwas tun. Gerade auch auf kommunaler Ebene. 

Martin Tabor / Bernd Distler

Zum Thema Bauen und Wohnen fand am 26.06. um 19:30 Uhr in die Himmelsleiter unsere Veranstaltung „Baustelle Wohnraum“ statt.