Mehr Demokratie wagen!

Altdorf hatte die Möglichkeit, unter der Leitung des gemeinnützigen Vereins „Mehr Demokratie“ im Rahmen eines Pilotprojekts einen Bürgerrat zu einem selbst gewählten Thema im Bereich Klimaschutz einzurichten. Als naheliegendes Thema hätte sich die Mobilität, einschließlich der Nordumgehung, angeboten. Leider wurde dieser Vorschlag von einer konservativen Mehrheit im Stadtrat abgelehnt. Es ist enttäuschend, dass die gleichen politischen Kräfte, die im Wahlkampf mehr Bürgerbeteiligung forderten, nun ausweichend argumentieren, dass sie Bürgerbeteiligung grundsätzlich unterstützen, jedoch nicht in dieser Form. 

Die Ablehnung wirft Fragen auf. Geht es hier wirklich um die inhaltliche Auseinandersetzung mit einem Beteiligungsmodell? Oder will man sich bestimmte Themen für den nächsten Kommunalwahlkampf warmhalten? Diese Denk- und Verhaltensweise erscheint in höchstem Maße fragwürdig und sogar gefährlich. Das Ausmaß der Bedrohung unserer Demokratie durch Rechtsextremismus und Rechtspopulismus ist in der Breite der Bevölkerung noch nicht angekommen und – wie es scheint – auch noch nicht in der Breite des Stadtrats.

Menschen wählen rechtsextreme Parteien wie die AfD, wenn sie sich abgehängt und ausgeschlossen fühlen. Genau da setzen Modelle der Bürgerbeteiligung an, indem sie es den Menschen ermöglichen und sie ermutigen, sich aktiv in die politische Gestaltung einzubringen – auch jenseits von demokratischen Wahlen. Dies ist aus gutem Grund in der bayerischen Verfassung verankert.

Das war geplant: Die Bürgerinnen und Bürger wären durch ein Losverfahren für die Teilnahme an vier Diskussionsterminen ausgewählt worden, um unter professioneller Anleitung über eine zuvor festgelegte Fragestellung zu debattieren. Die erarbeiteten Empfehlungen wären dem Stadtrat zur Überprüfung vorgelegt worden, gefolgt von einem Bürgerentscheid zur Bestätigung der Ergebnisse. Das Projekt wäre von der Robert-Bosch-Stiftung gefördert worden und hätte daher kaum finanzielle Mittel gekostet. Bei Stimmengleichheit war der befürwortende Beschlussvorschlag der Verwaltung aber dann denkbar knapp abgelehnt.

„[wir] werden aber in diesem Lande nur so viel Ordnung haben, wie wir an Mitverantwortung ermutigen. Solche demokratische Ordnung braucht außerordentliche Geduld im Zuhören und außerordentliche Anstrengung, sich gegenseitig zu verstehen. Wir wollen mehr Demokratie wagen“, sagte Willy Brandt 1969 in seiner Regierungserklärung und diese Aussage hat unserer Meinung nach nichts von ihrer Relevanz verloren.